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„Die Politik braucht Feuer unter dem Hintern!“

Landesrat Johannes Rauch verantwortet seit November die Energieautonomie Vorarlberg. Wo er noch Verbesserungspotenziale ortet, was er von Greta Thunberg hält und was seine Ziele für die Energieautonomie sind: Wir haben nachgefragt.

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Sie sind seit 2014 Landesrat, unter anderem zuständig für Umweltschutz und öffentlichen Verkehr. Seit kurzem verantworten Sie auch den Fachbereich Energie – und somit die Zukunftsvision der Energieautonomie Vorarlberg. Kommt zusammen was zusammengehört?

  • Landesrat Johannes Rauch:
    Ja, das war die Absicht. Klimaschutz und Umwelt, öffentlicher Verkehr und Energie bzw. die Energieautonomie sollen ein großes Ganzes bilden. Dadurch entsteht ein großes Nachhaltigkeitsressort. Wir müssen viel stärker noch als bisher sektorenübergreifend Denken und Handeln – Synergien nutzen, Pfade gemeinsamen definieren und verfolgen. Wir erreichen die Energieautonomie beispielsweise nur dann, wenn wir im Verkehrssektor die Füße auf den Boden bekommen. Oder anders gesagt: Die Energieautonomie und die Mobilität sind extrem eng miteinander verknüpft. Und das zeigt sich nun auch in der Ressort-Zuständigkeit.

Das Energieinstitut ist eine wichtige Stütze der Energieautonomie Vorarlberg. Sie wurden zum neuen Obmann gewählt – wie haben Sie die Arbeit dort bisher wahrgenommen?

  • LR Rauch:
    Das Energieinstitut ist eine Einrichtung, die es in dieser Form nirgendwo anders gibt. Es hat sich über die Jahre zu einem Kompetenzzentrum im Energiebereich entwickelt, das faktenbasierte Politik ermöglicht. Das sollte generell wieder mehr in Mode kommen – Politik auf Grundlage von Forschung. Und das liefert das Energieinstitut. Die Grundlagenarbeit ist hervorragend, die Beratung super, e5 ein einzigartiges Vorzeigemodell. Ich würde schon behaupten: Dass wir mit der Energieautonomie heute so gut dastehen, ist auch der Arbeit des Energieinstituts zu verdanken.

Die Energieautonomie Vorarlberg war ein Pionierprojekt, das im In- und Ausland viel Aufmerksamkeit auf sich zog. Heute sind die Ziele der Energieautonomie Vorarlberg de facto EU-weit anerkannt. Warum macht es trotzdem Sinn, daran festzuhalten?

  • LR Rauch:
    Wir müssen nun, ausgehend von der Basis, die wir geschaffen haben, die nächsten Schritte setzen. Wir wissen etwa von den Zahlen des Weltklimarates, dass wir in allen Bereichen die Anstrengungen verdoppeln müssen. Wir agieren zu langsam, zu wenig entschlossen und sind in vielen Bereichen schlicht in die falsche Richtung unterwegs – Stichwort Verkehr. Wir müssen jetzt erst recht an der Energieautonomie festhalten, um die Klimaziele zu erreichen. Es geht nicht darum, entweder Energie einzusparen oder auf erneuerbare Energien zu setzen. Die Maßnahmen müssen sich vielmehr addieren.

Greta Thunberg und die „Fridays For Future“-Bewegung haben dem Thema Klimaschutz zu einem neuen Stellenwert verholfen. Wie kann die Energieautonomie Vorarlberg von diesem Fahrtwind profitieren?

  • LR Rauch:
    Greta und die „Fridays for Future“-Bewegung machen der Politik Feuer unter dem Hintern – und das ist gut so. Die große Masse bewegt sich nämlich nur dann, wenn der Druck groß ist. Und wenn man sich anschaut, was bei der Klimakonferenz in Madrid passiert ist, habe ich den Eindruck, dass der Druck immer noch zu gering ist. Es sind noch zu viele der Meinung: Das geht sich schon irgendwie aus. Und das ist eine gravierende Fehleinschätzung.

In welchen Teilbereichen ist Vorarlberg immer noch Vorreiter – und wo können wir uns von anderen Ländern inhaltliche Anleihen holen?

  • LR Rauch:
    Wir sind in den Sektoren Erneuerbare Energie und Gebäude gut, auch bei der Industrie. Schlecht sind wir im Bereich Verkehr. Dort wurden die Ziele nicht erreicht, das muss man ganz klar sagen. Wir leiden hier auch unter dem Tanktourismus. Die Abschaffung des Diesel-Privilegs wäre daher ein Gebot der Stunde. Große Potenziale sehe ich im Bereich Photovoltaik. Hier ist noch viel mehr möglich, Stichwort Begrünung von Industriedächern.

Was mir in anderen Ländern gefällt? Das Energiegesetz in Deutschland hat einen regelrechten Boom ausgelöst, die Energieraumplanung in Wien erachte ich ebenso für sehr sinnvoll, um nur zwei Beispiele zu nennen. Es strengen sich mittlerweile alle an. Es ist nicht so, dass wir hier Kilometer weit voraus sind. Aber das sollte für uns zugleich auch Anreiz sein, hier wieder einen größeren Vorsprung zu bekommen. Und das ist ja auch die Absicht des Regierungsprogrammes.

Jener Bereich, der am meisten Kopfzerbrechen bereitet, ist der Verkehr. Obwohl die Fahrgastzahlen im öffentlichen Verkehr jährlich zulegen: Die Menschen scheinen im Individualverkehr nicht auf ihr Auto verzichten zu wollen. Stößt die Politik hier an die Grenzen des Machbaren?

  • LR Rauch:
    Das hängt auch mit Rahmenbedingungen zusammen, die wir im Land nicht gestalten können. Wenn auf Bundesebene keine CO2-Bepreisung kommt, wird sich nichts wirklich ändern, wie auch der Güterverkehr zeigt. Die Politik spricht seit 30 Jahren davon, Güter auf die Schiene zu bekommen. Nur: Die Tendenz zeigt eher in die andere Richtung. Und das hängt auch an mangelnder Kostenwahrheit. Es braucht hier endlich ein Umdenken.

Reichen Anreize hier aus – oder braucht es restriktive Steuerungsmaßnahmen der Politik?

  • LR Rauch:
    Das Wort Steuern kommt von steuern. Arbeit gehört entlastet, nicht erneuerbare Ressourcen höher besteuert, während finanziell-benachteilige Menschen über Ausgleichsmaßnahmen entlastet gehören. Das haben wir schon oft diskutiert, aber nie umgesetzt. Die nächste Steuerreform, die was taugt, muss das beinhalten.

Der erste Umsetzungszeitraum – die 101 enkeltauglichen Maßnahmen – enden 2020. Welche Schwerpunkte braucht es in den der nachfolgenden Umsetzungsperiode?

  • LR Rauch:
    Das wird nun festgelegt. Ich möchte das nicht von oben diktieren und sagen: „So machen wir das.“ Ich glaube aber, dass wir 100 Prozent Erneuerbare herbekommen. Daher: Photovoltaik-Ausbau mal drei. Beim Mobilitätsbereich müssen wir alle Instrumente nutzen, die uns zur Verfügung stehen. Das beginnt bei der Digitalisierung. Ich spreche hier von Mitfahrbörsen, einem höheren Besetzungsgrad des Pkw, Ausbau des öffentlichen Verkehrs oder der konsequente Ausbau von Bahnhöfen zu Mobilitätsdrehscheibe. Der öffentliche Verkehr muss so attraktiv werden, dass Bus und Bahn nicht nur kosten-, sondern auch zeit- und nervensparender als der eigene Pkw sind. Potenziale gibt es auch bei der Verbesserung der Wohnbauförderung im Bereich der Sanierung.

Worauf möchten Sie am Ende der Legislaturperiode 2024 und mit Blick auf die Energieautonomie Vorarlberg stolz sein?

  • LR Rauch:
    Ich möchte die definierten Zielpfade erreicht haben. Mit „es ist halt nicht gegangen“ möchte ich mich nicht zufriedengeben. Das heißt: Photovoltaik mal drei, weiterer Ausbau des öffentlichen Verkehrs und einen weiteren Schub für den Sanierungsbereich. Die e5-Gemeinden sind eine unglaublich wichtige Säule der Energieautonomie, auch hier soll es weitere Anreize geben.