Energieautonomie Vorarlberg feiert Jubiläum: E-vent rückt zehn erfolgreiche Jahre in den Mittelpunkt
Mit dem Beschluss zur Energieautonomie am 9. Juli 2009 hat das Land Vorarlberg eine wichtige Vorreiterrolle übernommen. Mit der Jubiläumsveranstaltung „E-vent“ wurde die Energieautonomie stellvertretend an sieben Stationen erlebbar gemacht.
Der einstimmige Landtagsbeschluss zur Energieautonomie Vorarlberg jährt sich im Juli zum zehnten Mal. Die damals gefasste Entscheidung, bis zum Jahre 2050 den Energiebedarf in Vorarlberg ausschließlich mit erneuerbaren Energien abzudecken, darf selbstbewusst als Meilenstein der Energiegeschichte Vorarlbergs bezeichnet werden. Ein Meilenstein, der mit dem „E-vent – 10 Jahre Energieautonomie Vorarlberg“ gefeiert wird. „Wir haben in den vergangenen zehn Jahren viel erreicht – darauf dürfen wir alle stolz sein. Um diese Erfolge sichtbar zu machen, haben wir stellvertretend für das breite Engagement der Bevölkerung, der Unternehmen sowie der öffentlichen Hand, an sieben Stationen in ganz Vorarlberg die Energieautonomie öffentlich zugänglich gemacht“, erklärt Energielandesrat Christian Gantner die Intention der Jubiläumsfeier. Das heißt: Beim heutigen „E-vent“ öffnen Energieproduzenten wie das Kleinwasserkraftwerk Mühletorplatz, das Biomasseheizwerk Rankweil oder das Energiewerk Ilg in Dornbirn genauso wie die Brauerei Frastanz, die Fabrik Klarenbrunn in Bludenz, die VKW Mobilitätszentrale in Bregenz und die Energieautonomiegemeinde Hard ihre Pforten – und zeigen der interessierten Bevölkerung, wie sie in ihrem Wirkungsbereich die Ziele der Energieautonomie Vorarlberg 2050 unterstützen und aktiv vorantreiben. „Bereits im Jahre 2009 war klar, dass wir das ambitionierte Vorhaben nur in einem gemeinsamen Kraftakt stemmen können. Jede und jeder Einzelne ist gefordert, im eigenen Wirkungsbereich Schritte zu setzen, um die Vision eines energieunabhängigen und somit eines zukunftssicheren Vorarlbergs zu unterstützen“, machen Landesrat Gantner und Landesrat Johannes Rauch deutlich.
Wir haben in den vergangenen zehn Jahren viel erreicht – darauf dürfen wir alle stolz sein.Landesrat Christian Gantner
Erneuerbarer Energiemix für 7.000 Dornbirner Haushalte
Eine Vision, die mutige Innovationen in ganz Vorarlberg fordert und fördert. Zwei, die seit vielen Jahren neugierig über den Tellerrand hinausblicken, sind die die Dornbirner Brüder Tobias und Bernhard Ilg. Mit ihrem Energiewerk Ilg versorgen sie – nach Fertigstellung des Holzkraftwerkes am Standort Stöcken im Sommer – rund 7.000 Dornbirner Haushalte mit erneuerbarer Energie aus Biomasse, Photovoltaik, Biogas, Biomethan, Holzgas und Wind. Tobias Ilg ist überzeugt: Biomasse wird in Vorarlberg eine zusehends wichtigere Rolle spielen. „Wir haben in Vorarlberg waldbaulich genug Reserven, die genutzt werden sollten. Als waldreiches Land können wir so mit heimischen Ressourcen eine nachhaltige Energieversorgung schaffen“, erklärt er. Die Herausforderung der Zukunft sei es, einen passenden Energiemix aus erneuerbaren Quellen bereitzustellen. Auch deshalb werden im Energiewerk Ilg laufend neue Techniken und Trends getestet und vorangetrieben. Großes Potenzial ortet Ilg in der Abwärmenutzung von Industriebetrieben. „Fernwärmenetze bilden die Energieverteilsysteme, die Energie selber kann aber zukünftig aus Biomasseheizwerken, Abwärme von Industrie- oder Power-2-Heat-Anlagen und ähnlichen kommen. Hier wird ein Umdenken notwendig sein“, sagt er.
Für sein großes Engagement und seine innovativen Ideen im energieproduzierenden Sektor wurde Tobias Ilg 2018 als Landwirt des Jahres geehrt.
Die drei aktuellen Schwerpunkte der Energieautonomie Vorarlberg
Die drei aktuellen Schwerpunkte der Energieautonomie Vorarlberg
Die Energieautonomie Vorarlberg fußt auf vielen unterschiedlichen Maßnahmen, Initiativen und Projekten. Mit punktuellen Schwerpunktthemen werden seit 2009 jene für die Energieautonomie relevanten Teilbereiche forciert, die einerseits möglichst viel Handlungsspielraum zulassen – und andererseits das größte Entwicklungspotenzial erlauben. Die drei aktuellen Schwerpunktthemen sind: MissionZeroV, Raus aus Öl und die Forcierung der Elektromobilität.
1. Schwerpunkt: MissionZeroV
Die öffentliche Hand wird hier ihrer Vorbildwirkung gerecht. Im Rahmen der MissionZeroV hat sich das Land Vorarlberg dazu bekannt, als österreichweit erste Landesverwaltung bis zum Jahre 2040 keine CO2-Emissionen mehr auszustoßen. Durch vielfältige Maßnahmen – beispielsweise den Ersatz aller bestehender Ölkessel und die vollständige Deckung des landeseigenen Strombedarfs mit erneuerbaren Energien – sollen die Emissionen im eigenen Wirkungsbereich weitestmöglich gesenkt werden. Kurzfristig nicht vermeidbarer CO2-Ausstoß soll durch Investitionen in Energieautonomie-Projekte ausgeglichen werden, z.B. durch den Ausbau von Solaranlagen auf Kindergärten u.ä. Die MissionZeroV umfasst 59 Landesgebäude, den Fahrzeugpool des Landes sowie die Dienstreisen des Amts der Vorarlberger Landesregierung.
Wie beim Beschluss zur Energieautonomie Vorarlberg vor nunmehr zehn Jahren ist es auch bei der MissionZeroV gelungen, alle im Landtag vertretenen Parteien ins Boot zu holen. „War Vorarlberg bereits beim Beschluss der Energieautonomie europaweit Pionier, so kann mit der "MissionZeroV" diese Vorbild- und Vorreiterrolle bestätigt und weiter ausgebaut werden“, betont Gantner.
2. Schwerpunkt: Raus aus Öl
Ölheizungen gehören zu den größten CO2-Verursachern. Es ist daher ein erfreulicher Trend, dass diese in Neubauten mit weniger als einem Prozent de facto keine Rolle mehr spielen. In Bestandsgebäuden gibt es aber weiterhin Aufhol- bzw. Austauschbedarf: In Vorarlberg sind nach wie vor rund 30.000 Ölkessel in Betrieb. Hier liegt ein großes Potenzial zur Reduktion des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen. „In den vergangenen zehn Jahren wurden bereits 40 Prozent der bestehenden Ölheizungen durch erneuerbare Heizsysteme ersetzt. Bis 2030 wollen wir gemeinsam mit dem Bund weitere 50 Prozent ersetzen“, erklärt Christian Vögel, Fachbereichsleiter Energie und Klimaschutz beim Amt der Vorarlberger Landesregierung. Wie? Unter anderem mit attraktiven Förderungen für Einfamilien-, Mehrfamilienhäuser und Unternehmen sowie Beratungsprogramme für Private und Unternehmen. Wer sich von seiner Ölheizung verabschiedet, kann jetzt Förderungen in Höhe von bis zu 12.000 Euro in Anspruch nehmen. Mit positiven Folgen für die Umwelt: „Die jährlichen CO2-Emissionen bei einem unsanierten Haus mit Ölheizung liegen bei rund 9,8 Tonnen. Im Vergleich dazu verursacht ein Pellets- oder Fernwärmeheizsystem nur 232 bzw. 959 Kilogramm CO2-Emissionen“, so Vögel.
3. Schwerpunkt: Elektromobilität
Mit einem Anteil von 2,8 Prozent war Vorarlberg 2018 österreichweit Spitzenreiter bei den Neuzulassungen von Elektroautos. Mit Stand Ende April 2019 sind hierzulande 1.821 elektrisch betriebene Pkw auf Vorarlbergs Straßen unterwegs – ein Anteil von 0,8 Prozent am Gesamtbestand. Der Ausbau der Elektromobilität ist ein wichtiger Mosaikstein der Energieautonomie Vorarlberg. Im Rahmen der Elektromobilitätsstrategie 2020 wurden 32 Maßnahmen definiert, um Verkehr zu vermeiden, zu verlagern und in weiterer Folge umweltfreundlich abzuwickeln. Hierzu zählen Maßnahmen wie die Umstellung auf batterieelektrische Busse, die Forcierung der Elektromobilität an Bauhöfen, den bedarfsgerechten Ausbau der Ladeinfrastruktur oder die Elektrifizierung von Taxiflotten, um Beispiele hervorzuheben.
Das ursprünglich definierte Ziel, 10.000 Elektroautos bis 2020 auf Vorarlbergs Straßen zu bringen, wird schwierig umzusetzen – klar ist für Landesrat Gantner aber: „Wir sind in unseren diesbezüglichen Bemühungen stark von den großen Automobilherstellern abhängig. Je attraktiver die Modellpalette und die Preise, umso mehr Menschen werden auf Pkw mit Elektroantrieb umsteigen. Hier tut sich derzeit viel. Die aktuellen Zulassungszahlen – E-Pkw haben 2019 in Vorarlberg bisher einen Anteil von 4,2 Prozent an den Gesamtzulassungszahlen – stimmen hier positiv für die Zukunft.“
Sanfte Mobilität wird ausgebaut
Klar ist aber: Der beste und umweltschonendste Verkehr ist jener, der vermieden werden kann. Das Land Vorarlberg setzt daher seit vielen Jahren auf einen massiven Ausbau sanfter Mobilität. „Moderne Bahnhöfe werden zu Mobilitäts-Drehscheiben, die Bahn, Busse, E-Autos und Fahrräder miteinander verknüpfen“, erklärt Mobilitätslandesrat Johannes Rauch. Ein unumgänglicher Schritt, sind doch bereits heute täglich mehr als 150.000 Menschen in Vorarlberg mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. „E-Autos sehe ich als Brückentechnologie. Nur wenn wir unser Mobilitätsverhalten nachhaltig verändern, werden wir auch eine positiven Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten können“, so Rauch weiter.
In den nächsten 15 Jahren sollen neun definierte Schwerpunkt-Handlungsfelder konkret angegangen werden, die im neuen Mobilitätskonzept aufgeführt werden. Dazu zählen unter anderem: Öffentlicher Verkehr und Radverkehr, Güterverkehr und Verkehrssicherheit. „Schon heute werden in Vorarlberg 16 Prozent der Alltagswege mit dem Fahrrad zurückgelegt – mehr als doppelt so viel wie im Bundesschnitt. Wir wollen den Radverkehrsanteil bis 2030 auf 21 Prozent erhöhen, da der Umstieg auf das Rad und den Öffentlichen Verkehr für unser Klima und unsere Umwelt von zentraler Bedeutung ist“, sagt Rauch.
CO2-Emission müssen deutlich stärker reduziert werden, es braucht einen konsequenten Ausstieg aus fossilen Heizsystemen – besser heute als morgen – und wir benötigen unbedingt die Nahverkehrsmilliarde, um unser Mobilitätssystem nachhaltig zu verändern.Johannes Rauch, Mobilitätslandesrat
Maßnahmen zeigen Wirkung
Dass im Sektor Mobilität und Verkehr zusätzliche Anstrengungen erforderlich sind, zeigen auch die aktuellen Zahlen des Energie- und Monitoringberichts 2019. Trotz vieler Erfolge nahm der Energieverbrauch im Teilbereich Mobilität im Zeitraum 2005 bis 2017 um 15,4 Prozent auf 2.658 GWh zu. Erfreulich hingegen die Entwicklung in anderen Teilbereichen der Energieautonomie Vorarlberg: „Beim Ausbau erneuerbarer Energien und bei der Senkung des CO2-Ausstoßes sind die Etappenziele 2020 der Energieautonomie möglich. Beim Gesamtenergieverbrauch ist, trotz dynamischer Bevölkerungsentwicklung, eine Stabilisierung gelungen." Im Sektor Gebäude Wärme kam es zu einer Abnahme der fossilen Energieträger Kohle (-62 Prozent), Öl (-51,2 Prozent) und Gas (-8,2 Prozent). Demgegenüber legten die Energieträger Fernwärme (+82,9 Prozent), Umgebungswärme bzw. Wärmepumpen (+330 Prozent), Solarwärme (+150 Prozent) sowie elektrische Energie (+13,6 Prozent) zu. Auch die Effizienzsteigerung der heimischen Wirtschat liegt im Soll. Zahlen, die zuversichtlich stimmen. „Unser größtes Kapital sind die Menschen, die motiviert und engagiert daran arbeiten, die Ziele der Energieautonomie Vorarlberg voranzutreiben und umzusetzen“, betont Landesrat Gantner. „Wir werden alles daran setzen, unseren Kindern und ¬¬Enkelkindern einen chancenreichen zu erhalten.“ Seit dem Jahr 2009 hat die Klimaforschung stark an Erkenntnissen gewonnen, auch das Klimaabkommen von Paris hat für die Industriestaaten neue Zielsetzungen definiert. Diese sollen nun auch im Konzept der Energieautonomie ihren Niederschlag finden: „Die Gesamtstrategie ist gut, muss aber neu überarbeitet werden. CO2-Emission müssen deutlich stärker reduziert werden, es braucht einen konsequenten Ausstieg aus fossilen Heizsystemen – besser heute als morgen – und wir benötigen unbedingt die Nahverkehrsmilliarde, um unser Mobilitätssystem nachhaltig zu verändern“, erklärt Landesrat Rauch.