Klimastatusbericht: 2022 war in Vorarlberg wärmstes Jahr seit Messbegin
Zadra: „Ein weiterer Weckruf für mehr Klimaschutz“
Noch nie war es in Vorarlberg im Mittel wärmer als im Vorjahr. Noch nie hat es an einem Tag so viel geregnet wie am 19. August 2022, als in Bregenz 212 mm und in Feldkirch 167 mm Niederschlag fielen. Die Extremwetteranalyse des letzten Jahres weist für Vorarlberg Hagelschäden, sinkende Wasserpegelstände und ausbleibenden Schnee im Dezember auf. Die Gletscher büßten im Sommer 2022 doppelt so viel Eis ein wie in mittleren Jahren der letzten Jahrzehnte. All diese beunruhigenden Befunde gehen aus dem Klimastatusbericht des Bundes und der Länder hervor. „Unsere Untersuchungen zeigen klar und deutlich, dass Wetter und Klima extremer werden“, erklären Herbert Formayer und Martha Stangl, die HauptautorInnen des Berichts. „Wir haben einen weiteren Weckruf erhalten“, ergänzt Umweltschutzlandesrat Daniel Zadra.
Wir können die Erderhitzung nicht mehr aufhalten; wir müssen aber so rasch wie möglich aufhören, fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas zu verbrennen, und uns gleichzeitig an die Veränderungen aufgrund der Klimakrise anpassen.Daniel Zadra, Energie- und Klimaschutzlandesrat
Klimarückblick Vorarlberg 2022
Hauptergebnisse Temperatur: 2022 war im Mittel über Vorarlberg das wärmste Jahr seit Messbeginn im Jahre 1876. Die Jahresmitteltemperatur von 7,0 °C entspricht einer Abweichung von +2,7 °C zum Bezugszeitraum 1961–1990. Mai und Oktober bilanzierten als wärmste Monate der jeweiligen Vergleichsreihen.
Hauptergebnisse Niederschlag: Im Landesmittel fielen etwa 1.560 mm Niederschlag, womit – bei großen regionalen Unterschieden – 12 % auf den langjährigen Mittelwert fehlen. Damit lässt sich 2022 den trocken-warmen Jahren zuordnen. Dennoch: Am 19. August fielen in Bregenz innerhalb eines Tages 212 mm Regen – mehr als normalerweise im gesamten August. Das ist neuer Bundeslandrekord (vgl. Abb. 2). Auch Feldkirch erlebte an diesem Tag die stärksten Regenfälle (167 mm) seit Beginn der Aufzeichnungen 1895. Doch dafür war das Land Vorarlberg mit einem extrem trockenen Frühling konfrontiert; der März 2022 war so regenarm wie kaum ein März seit 1945. Beim Jahresniederschlag sind hingegen in Vorarlberg keine langfristigen Veränderungen auszumachen.
Hohe Betroffenheit des Alpenraums
Die durchschnittliche Temperatur hat in Vorarlberg seit 1980 mehr als doppelt so stark zugenommen wie im globalen Durchschnitt. Vorarlberg – und der Alpenraum generell – sind von der Klimaerhitzung besonders stark betroffen. Dies zeigt der Vergleich der 147 Jahre zurückreichenden, längsten Messreihe Vorarlbergs mit den globalen Messdaten
Wenn man international oft von 1,5 bis 2 °C als kritische Obergrenze der Erderhitzung spricht, muss man sich bewusst werden, dass wir im Alpenraum jeweils mehr als die doppelte Erderhitzung verzeichnen. Eine Temperaturerhöhung von global 2 °C bedeutet im Alpenraum ein Plus von 4 bis 5 °C“, warnt Herbert Formayer von der Universität für Bodenkultur in Wien.
Extremereignisse nehmen zu
Die Klimakrise zeigt sich in Vorarlberg in einer deutlichen Zunahme aller Klimaindizes, die Wärme ausdrücken. Hitzetage und Tropennächtetreten immer häufiger auf
Doch im Klimastatusbericht 2022 finden sich auch zahlreiche Exremwetter-Ereignisse mit Vorarlberg-Bezug. So führten Hagelschauer im Mai und Juni zu erheblichen Schäden in der Landwirtschaft. Im Sommer bereitete die anhaltende Trockenheit der Bevölkerung große Sorgen. In mehreren Bundesländern lieferten die Wasserkraftwerke aufgrund niedriger Pegelstände weniger Strom als üblich; manche mussten ganz vom Netz genommen werden. Laut Auskunft des Landesstromversorgers illwerke vkw produzierten die Vorarlberger Wasserkraftanlagen 2022 um rund 20 Prozent weniger Strom als im langjährigen Durchschnitt. Das letzte Monatsdrittel Dezember verzeichnete außergewöhnliches Tauwetter. Die hohen Temperaturen sorgten für Schneemangel in vielen Skigebieten.
„Die Folgen der Klimaerhitzung zeigen sich nicht nur als abstrakte Messgrößen, sondern ganz konkret in der Natur. Mehr Hitzetage und Dürren, mehr Hagel und weniger Schnee gehören zu den Folgen der Klimaerhitzung.“, erläutert Martha Stangl vom Climate Change Centre Austria.
Massive Gletscherrückgänge prägten das Jahr 2022
Die Witterungsverhältnisse im Jahr 2022 waren in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Doch die stärkste Abweichung aus klimatologischer Sicht zeigte sich bei den österreichischen Gletschern. Noch nie in der bis 1891 zurückreichenden Geschichte des Österreichischen Gletschermessdienstes zogen sich die Gletscher rascher zurück als im Jahr 2022: Gemäß Gletscherbericht 2021/2022 des Österreichischen Alpenvereins wurden die österreichischen Gletscher im Mittel um 28,7 Meter kürzer. Die Gletscher der Silvrettagruppe gingen um 25 Meter zurück (2020/21 waren es 11,4 Meter). Der Eisverlust der Gletscher im Sommer 2022 betrug in Österreich etwa drei Meter Dicke und war in etwa doppelt so stark wie in mittleren Jahren der letzten Jahrzehnte.
„Die massiven Gletscherrückgänge 2022 sind auf drei Faktoren zurückzuführen. Zum einen erlebten wir im Gebirge den viertheißesten Sommer, seit es Messungen gibt. Zum anderen war die Schneedecke im Hochgebirge um 20 bis 30 Prozent geringer als im langjährigen Mittel, was dazu führte, dass die tiefgelegenen Gletscherbereiche bereits im Mai begannen auszuapern (schneefrei zu werden). Und schließlich hat auch der warme Saharastaub das Abschmelzen beschleunigt“, erklärt Herbert Formayer.